Antrittsvorlesung an der Hochschule für Musik Basel am 10.3.2020.
Der Musik wird oft (und auch gerne) die Absenz von Bedeutung nachgesagt – Musik habe keine Wörter und folglich auch keine Metaphern, und darum ließe sie sich nicht interpretieren wie man ein Gedicht interpretieren könne. Dem begegnet die Kunsttheorie Nelson Goodmans, die sagt: Ein abstraktes graues Bild ist nicht einfach grau, sondern zeigt ›das Grau‹, und dieses kann man als Symbol etwa für Traurigkeit auslegen. Der Ansatz lässt sich auch auf die Musik anwenden; das stille Stück ist nicht nur still, sondern exponiert ›die Stille‹, bei einem fugierten Abschnitt geschieht ›Fuge‹, ein langsamer Satz exemplifiziert ›Langsamkeit‹, derlei ist als Sample deutbar, und so weiter.
Ergänzend vertrete ich die Ansicht, dass das Hören in der fortgeschrittenen postmodernen Kondition ohnehin von Wissen über das Klingende zutiefst durchsetzt ist; ein unschuldiges Ohr gibt es nicht (mehr). Hören ist und wird immer stärker ein Begriffliches, und somit ein Interpretierbares.
Die Vorlesung wurde als (leicht gekürzte) Textfassung in den MusikTexten 167 gedruckt.
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